Entlassungsproduktivitat sollte allerdings nicht umstritten sein. Ein praktikabler Vorschlag fur
kunftige Lohnverhandlungen konnte sein, von der Trendwachstumsrate der Arbeitsproduktivitat
einen Abschlag von beispielsweise einem halben Prozentpunkt zu kalkulieren und nur die Inflationsrate
zu berucksichtigen, die mit dem Inflationsziel der EZB vereinbar ist.23
Einen wichtigen Beitrag zur Beschaftigungssicherung kann auch die Flexibilisierung der Arbeitszeit
leisten. Ein Beispiel sind Arbeitszeitkonten, die bereits in vielen Unternehmen eingefuhrt
wurden. Sie ermoglichen eine Anpassung des Arbeitsvolumens an Schwankungen der
Produktion, ohne dass die langere Arbeitszeit in Spitzenzeiten zu hoheren Kosten etwa durch
Uberstundenzuschlage fuhrt. Besonders erfolgversprechend sind betriebliche Vereinbarungen,
die unternehmensspezifische Besonderheiten berucksichtigen. Die Flexibilisierung der Arbeitszeiten
muss aber in hoherem Ma.e durch Tarifregelungen unterstutzt werden. Bisher sind tarifliche
Vereinbarungen zu restriktiv. So darf gema. dem im Februar dieses Jahres in der Metallund Elektroindustrie abgeschlossenen Tarifvertrag nur in Betrieben mit einem hohen Anteil von
qualifizierten Arbeitskraften fur maximal 50 % der Beschaftigten die regelma.ige wochentliche
Arbeitszeit bis auf 40 Stunden verlangert werden. Eine solche Regelung ist halbherzig. Die Tarifpartner
sollten den Betriebsparteien wesentlich gro.zugigere Freiraume gewahren.
In den vergangenen Jahren sind die Herausforderungen durch den Wettbewerb mit anderen
Volkswirtschaften gro.er geworden, insbesondere durch die Erweiterung der Europaischen
Union. Die EU-Beitrittslander bieten eine Reihe von Wettbewerbsvorteilen, die es ihnen ermoglichen
werden, den Einkommensabstand zu den reicheren Landern in der EU zu vermindern.
Genau dies ist im Sinne der europaischen Integration, die unter anderem eine Konvergenz zwischen
den Volkswirtschaften zum Ziel hat. Auf die alten EU-Lander kommen aber Anpassungsprozesse
zu, auf die sie offensiv reagieren sollten, wenn sie im Wettbewerb nicht verlieren wollen.
Beispielsweise hilft es nicht weiter, uber niedrige Lohne in den Beitrittslandern zu klagen.
Dieser Vorteil ist weder kunstlich geschaffen noch eine Wettbewerbsverzerrung (oder gar eine
„beggar-thy-neighbour policy“); er stellt auch kein „Lohndumping“ dar, sondern ist vor allem
Ausdruck des vergleichsweise niedrigen Produktivitatsniveaus in diesen Landern. Hierauf mit
Lohnstandards in den Beitrittslandern oder gar einer Abschottung der Markte zu reagieren, ware
kontraproduktiv fur das Wachstum in der EU insgesamt. Ebenso ist es fur den Wohlstand in der
EU schadlich, den Steuerwettbewerb auszuschalten oder zu vermindern. Wenn den Beitrittslandern
Standortvorteile genommen werden, die sie teilweise auch in den Steuersystemen haben,
werden sie es in dem von allen Seiten gewunschten Konvergenzprozess schwerer haben und
langsamer wachsen. Dies ware auch von Nachteil fur die alten Mitgliedstaaten der EU, denn
ihre Exportmoglichkeiten wurden sich verringern. Vor allem aber wurden sie die Produktivitatsgewinne,
die sich durch die Spezialisierung im Rahmen der internationalen Arbeitsteilung
ergeben, verschenken. Protektionismus in welcher Form auch immer schadet allen beteiligten
Landern. Problematisch ist allerdings, dass die Beitrittslander relativ hohe Subventionen von der
EU erhalten. Somit fallt es ihnen leichter, die Steuersatze niedriger zu halten, als es sonst der
Fall ware. Dies ist allerdings ein Argument gegen die Subventionspolitik, nicht gegen einen
Steuerwettbewerb.
Durch die Situation in den Beitrittslandern ergeben sich durchaus auch hierzulande Wachstumsimpulse.
Ebenso vergro.ert sich der Druck, die Qualifizierung der Arbeitskrafte in Deutschland
zu erhohen. Denn es kommt vor allem darauf an, dass ein reiches Land wie Deutschland die
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