bildet. Ein Grund dafur sind die nicht unerheblichen Mitnahme- und Verdrangungseffekte.
Schwerer wiegt aber noch, dass die ergriffenen Ma.nahmen nur wenig dazu geeignet sind,
wesentliche Determinanten von Hohe und Struktur der Arbeitslosigkeit wie die zu geringe
Wachstumsdynamik, eine hohe Regulierungsdichte am Arbeitsmarkt, Qualifikationsmangel
beim Arbeitsangebot und eine immer noch relativ geringe Lohnspreizung zu beseitigen. Insofern
durfte auch der rucklaufige Trend beim Arbeitsvolumen durch die Reform der Arbeitsmarktpolitik
allenfalls etwas gebremst, aber nicht umgekehrt werden.
Seit drei Jahrzehnten steigt die Arbeitslosigkeit in Deutschland. Die Arbeitslosenquote ist heute
zehnmal so hoch wie Anfang der 70er Jahre. Diese Entwicklung hat viele Ursachen, die nicht
nur auf Funktionsstorungen auf dem Arbeitsmarkt zuruckzufuhren sind. Die Tarifpartner haben
aber eine besondere Verantwortung, eine beschaftigungsfreundliche Lohnpolitik zu betreiben.
Dies gilt vor allem in Zeiten, in denen von vielen wegen der Beschleunigung des Globalisierungsprozesses
ein Druck auf den heimischen Beschaftigungsstandort befurchtet wird.
Die zunehmende internationale Integration der Schwellen- und Reformlander andert die Angebotsund Nachfragebedingungen auf den Weltmarkten. Aufgrund der noch uber langere Zeitraume
vergleichsweise niedrigen Lohnsatze in diesen Landern wandert vor allem arbeitsintensive
Produktion dorthin ab. Gleichzeitig steigen die Exporte in diese Lander von solchen Gutern,
bei denen Deutschland einen komparativen Vorteil hat. Da es sich dabei aber typischerweise um
human- und sachkapitalintensiv hergestellte Produkte handelt, kann die Beschaftigung vor allem
von relativ niedrig Qualifizierten nur gehalten werden, wenn die freigesetzten Arbeitskrafte in
diesen expandierenden Sektoren oder in der Produktion nichthandelbarer Guter eine neue Beschaftigung
finden. In vielen Fallen ist dies nur moglich, wenn die Lohne fur die betroffenen
Gruppen langsamer steigen oder sogar fallen. Von manchen wird erwartet, dass dies einen so
breiten Kreis betrifft, das sogar ein Druck auf das durchschnittliche Lohnniveau ausgeht. Das
bedeutet nicht, dass Lohne auf das niedrige Niveau in den Beitrittslandern sinken mussen. In
dem Ma.e, wie die deutsche Produktivitat hoher ist als dort, konnen auch hohere Lohne bezahlt
werden. Will man einen Konvergenzprozess der Beitrittslander, ist es unmoglich und auch nicht
wunschenswert, alle Produktionsaktivitaten im Inland zu halten. Die Lohne mussen aber so
flexibel sein, dass der notwendige Strukturwandel von dieser Seite nicht zusatzlich belastet
wird.
Aus diesen allgemeinen Uberlegungen lassen sich keine einfachen Richtlinien fur eine „richtige“
Lohnpolitik herleiten. Die Tarifparteien sollten darauf achten, dass auch fur weniger produktive
Beschaftigte marktgerechte Lohne ermoglicht werden. So konnen Arbeitsplatze, die im
Strukturwandel verloren gehen, durch neue ersetzt werden. Niedrige Steigerungen der Tariflohne
ermoglichen es den Unternehmen selbst, eine starkere Lohndifferenzierung zu finden; das
allein reicht aber zur Findung einer marktgerechten Lohnstruktur nicht aus. Tarifliche Offnungsklauseln
und eine Verlangerung der wochentlichen Arbeitszeit konnen die Anpassungsflexibilitat
verbessern.
Im Kern soll sich die Lohnentwicklung an der Produktivitat orientieren; die Ausrichtung an der
gemessenen Durchschnittsproduktivitat kann aber irrefuhrend sein, da ein Beschaftigungsruckgang
die gemessene Arbeitsproduktivitat erhoht (Entlassungsproduktivitat) und damit falschlicherweise
einen Verteilungsspielraum suggeriert, der unter dem Aspekt der Beschaftigungssicherung
nicht vorhanden ist. Uber die korrekte Methode zur Messung des beschaftigungsneutralen
Produktivitatswachstums mag man diskutieren, die Notwendigkeit der Bereinigung um die
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