Man kommt nicht als anderer Mensch zurück. Schröder will mit der Union zusammenarbeiten Auch Schäuble beim Sparpaket kompromissbereit

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"Man kommt nicht als anderer Mensch zurück"

Vier junge Männer machen statt Zivildienst "Anderen Dienst im Ausland"

Sie machen Radioprogramme für Auswanderer in Nicaragua, vermitteln zwischen katholischen und evangelischen Kindern in Nordirland oder backen Brot mit Kindern der Waldorfschule in New Hampshire/USA junge Männer aus Deutschland, die den Kriegsdienst verweigert haben. Aber sie leisten keinen Zivildienst in Deutschland, sondern den “Anderen Dienst im Ausland” (ADiA), so die offizielle Bezeichnung beim Bundesamt für Zivildienst. Der Dienst dauert länger (mindestens 15 Monate), und es gibt gar kein oder sehr wenig Geld (das hängt vom Träger ab), um die Organisation müssen sich die Verweigerer selbst kümmern. Und: Auf jede freie Stelle gibt es rund zehn Bewerbungen. Da ist es gar nicht so schlecht, dass die ADiA-Leistenden in der Minderheit sind: Weniger als ein Prozent aller Verweigerer wählt den Auslandsdienst. Vier junge Männer aus dem Kreis Coesfeld haben sich für den ADiA entschieden. Die Gründe dafür gleichen sich, so verschieden Sebastian Bücking aus Coesfeld, Lukas Jaworski aus Rosendahl, Nico Schulenkorf aus Lette und Sebastian Lütke Sunderhaus aus Coesfeld auch sind. Eine andere Kultur erleben, die Sprache lernen, über den Tellerrand gucken, etwas Sinnvolles machen, nicht nur irgendwo auf ein Telefon aufpassen so oder ähnlich lauten die Antworten wenn man sie nach der Motivation fragt. Dafür ist die Auswahl der Zielorte sehr individuell. Sebastian Bücking war nach Minsk in Weissrussland gegangen, Lukas Jaworski hat sich für ein Projekt in Lyon im Nachbarland Frankreich entschieden, Nico Schulenkorf ist am anderen Ende der Welt in Blacktown/Australien gelandet und Sebastian Lütke Sunderhaus wird bis Weihnachten 2000 in La Paz in Bolivien leben. Verändert hat mich die Zeit in Minsk bestimmt, aber wie genau, das ist nicht so greifbar” erzählt Sebastian Bücking rund neun Monate nach seiner Rückkehr. Von Anfang September 1997 bis Ende November 1998 hat er in Novinki gearbeitet, in einem Heim für schwerstbehinderte Kinder. Dort hat er Schichtdienst geschoben, sich fünf bis sechs Stunden täglich um Slawik, Roman, Lera, Pascha und die anderen Kinder der Station gekümmert. Nachtschichten bei Suwelack hat Nico Schulenkorf gefahren, um sich den Dienst in Australien zu ermöglichen. Denn von seinem Träger werden nur Kost, Logis und ein kleines Taschengeld gewährt. Und dabei ist das Auslandssekretariat der Deutschen Bischofskonferenz schon recht großzügig. Der Letteraner hat auch eine richtige Zwei-Zimmer-Wohnung in Blacktown, einem “Vorort” von Sydney mit rund 300.000 Einwohnern. Der monatelange Nebenjob musste auf jeden Fall sein. “Ohne die Unterstützung meiner Familie und ein paar anderer freundlicher Sponsoren wäre es trotzdem nicht gegangen.” Denn Nico darf in Australien zwar arbeiten, aber Geld verdienen darf er nicht: “Ein völkerverständigender Dienst muss ehrenamtlich sein, und in Australien kriegt man eh’ nur ein Visum, wenn man einen Job ohne Verdienst hat.” Der 19-Jährige hat alles selbst organisiert: “Als ich auf die Idee gekommen bin, dass ich ins Ausland möchte, war es eigentlich schon zu spät. Hätte ich mich da auf den offiziellen Weg verlassen, hätte es nicht mehr geklappt.” Eigeninitiative war also gefragt, 50 Briefe und 30 eMails hat der Abiturient an katholische Gemeinden im Ausland verschickt. Bei der St. Raphael’s Gemeinde in Blacktown hat es dann geklappt. Father Peter Lang (nicht “Pieter Läng” sondern Peter Lang, der Pastor ist auch erst vor einem halben Jahr nach Australien gegangen) bekommt zum ersten Mal einen deutschen Ersatzdienstler als Hilfe beim Gemeindedienst. Diese Frage hat sich Lukas Jaworski aus Lette ebenfalls gestellt. Und ist zu dem Schluß gekommen, dass “seine” Stelle in Frankreich auf ihn wartet. Der 21-Jährige hat sich für ein Projekt in Lyon entschieden, das den Dialog zwischen Menschen verschiedener Religionen fördern soll. Neun Prozent der französischen Bevölkerung sind sogenannte Maghrébins Menschen aus den ehemaligen Kolonien unseres Nachbarlandes. “Ich bin selbst mit zehn Jahren von Polen nach Deutschland gekommen und weiß daher, welche Probleme man haben kann, ich kenne die Gefühle und Schwierigkeiten aus eigenem Erleben.” Lukas will mit seiner Arbeit in Frankreich nichts zurückgeben, das klingt ihm zu pathetisch. Aber der Rosendahler glaubt, weil viele Menschen ihm mit vielen oft kleinen Dingen geholfen haben, dass er weiss, was helfen kann: “Zuhören ist ganz wichtig, über die Schwierigkeiten zu reden, bringt viel Erleichterung.” Lukas ist (wie Nico) ein Pionier. Er ist der erste ADiA-ler, der bei dem Lyoner Projekt “Maison Abraham” mitarbeitet. Darum kann er auch nicht auf die Erfahrungen seiner Vorgänger zurückgreifen (diese Möglichkeit hatte Sebastian Bücking in Minsk, und auch Sebastian Lütke Sunderhaus ist nicht auf sich allein gestellt). Lukas strukturiert seine Arbeit nur mit Hilfe des Projektleiters Christian Delorme. Um drei Bereiche muß er sich kümmern: Das Pfarrheim ist ein kulturelles Zentrum, hier müssen die Treffen verschiedener Gruppen und Chöre organisiert und koordiniert werden. Außerdem pflegt Lukas die Kontakte zu den Gruppen und unterstützt auch den Austausch untereinander. Den zweiten Schwerpunkt bildet die Jugendarbeit mit einer Pfadfindergruppe. Das sind acht- bis elfjährige muslimische Kinder, überwiegend aus Algerien. Und last but not least ist da ein Haus am Genfer See, das dem Projekt gestiftet wurde. Hier soll eine “Oase der Ruhe” mit Wochenendfreizeiten für die Kinder und Jugendlichen aus den Lyoner Vororten geschaffen werden. Sebastian Lütke Sunderhaus hat sich davon nicht abschrecken lassen. Auch nicht von den zehn Impfstichen, die er über sich ergehen lassen musste. Oder davon, dass La Paz in Bolivien 4.000 Meter höher als Deutschland liegt und 10.500 Kilometer entfernt ist. Aber ein paar Sorgen hat er schon . Sebastian erzählt sehr nachdenklich davon, “dass Bolivien ein Entwicklungsland ist und die medizinische Versorgung nicht mit unserer zu vergleichen ist. Ich kann in der ganzen Zeit nicht einmal nach Hause kommen. Was ist, wenn hier was mit meinen Eltern passiert? Und wie antworte ich auf Fragen, warum es uns in Deutschland so gut und den Menschen in Bolivien viel schlechter geht?” Der 20-Jährige arbeitet in La Paz bei der “Fundación Arco Iris”. Die Stiftung bietet Straßenkindern, verwahrlosten Jugendlichen und Kinder von Strafgefangenen eine Heimat. Sebastian freut sich auf seine Arbeit: “Es ist doch befriedigend, wenn man helfen kann.” Und auf die Frage, ob er glaubt, dass der Auslandsaufenthalt später Vorteile im Job bringt, antwortet er ohne lange zu überlegen: “Vielleicht, aber viel wichtiger ist doch, dass diese Zeit für mich ein Gewinn und eine Erinnerung für’s ganze Leben sein wird!”

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